TempelAusgabe 3
28. Juli 2002
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Wer ist ianus? ianus

# 14    vorrede 170

 

I (in kürze)
betrachtete einst ich kunst, und wähnte mich humanistisch wohl gebildet erkennenden geistes, so bedurfte es der geduldigen anleitung durch meine liebe ex-gattin elfriede, die heute wieder wohlvermählt ein glückliches leben führen darf, mir schließlich die augen zu öffnen; nicht das vom menschen hervorgebrachte, von natur und eindeutiger festlegung durch umgrenzende funktion befreite, mit hervorragendem und spezifischem können und großem geistigen vermögen verschränkte, singuläre geltung erlangende, das verifizierungen nicht bedarf, nicht die abgrenzung von genius zu handwerk, nicht die wirkung als quietiv oder stimulans des lebens, nicht scheinbare intensionsperiodisierung, der vermessene glaube des schaffenden, zur bestimmung seines tuns zu gelangen, das selbst definieren zu können, nicht das irrlichtern durch erfahrungshierarchien, von mimesis zu katharsis etwa, oder abergläubische wendungen zu holzpfaden wie disegno naturale, disegno artificale, inventio, concinnità, maniera oder aberwitzigkeiten wie disegno fantastico sind betrachtenswerter kern von kunst, bilden deren intension, aussage, rezeption oder grundlage, sondern es spricht aus allem der legitime soziale diskurs, der kampf des femininen um gesellschaftliche korrektur eines unwesens, welches äonen das allschöpferische wesen ihres seins negierte, die natürliche realität ad absurdum führend die fasces inferioren drohnen zuspielte.
ich wage es gar nicht, mich allzu sehr zu verbreiten über ein thema, das ich trotz anhaltender mühen meiner lieben elfriede und strebsamen fleiße eines willigen, aber von der natur benachteiligten eleven, der ich ihr in höriger bewunderung war, noch heute nicht vollends zu erfassen vermag. schmerzlich gerann die erkenntnis, dass der männliche geist in der ihm immanenten umschränktheit nicht befähigt ist, die ebene des kleinteilig-präzisen, komplex strukturierten und alleben beschriebenen musters des weiblichen genius zu erreichen. der bloße versuch muss scheitern. die wortmeldung bereits verheerte nachhaltig: der wohl komponierte pinselstrich großer meister, ein oeuvre aus farbe, bewegung, bezug und emotion würde gleichsam zum groben holzschnitt eines unterentwickelten naturvolkes degenerieren.

II
dennoch verspüre ich den drang einer heiligen verpflichtung, die größer ist als meine ameisenseele, folge zugleich der inständigen bitte meiner lieben elfriede, ihnen geleit zu geben zu solch sonnenmächtigem manifest menschlichen, mehr noch: weiblichen geistes. nie wagte ich, sähe ich mich überhaupt in der lage, zu kommentieren oder einzuführen, der ich in meinen engen kreisen gelähmt in demütiger bewunderung zu ihr aufsehe, der ich nicht verstehen kann.

III
das leben führte st. elfriede in die politik, gab ihr den kelch der aktion zur hand, der sie oft schmerzlich ihrer theoretischen arbeit entsagen ließ, welche so bahnbrechend ist. mag das handeln dem theoretiker auch bei zeiten als strebensziel erscheinen, muss die wissende an der abhängigkeit leiden, welche sie im amte all jenen blinden, geistesbeschränkten ausliefert. hier folgt das handeln nicht allein dem willen, welcher stark genug wäre, das erkannte umzusetzen, sondern beschränkt sich durch die beschränktheit der umwirkenden.
es freut den staunend begleitenden zu sehen, dass noch die rare zeit, die der so geliebten elfriede im ministeriellen alltage bleibt, um fortzuschreiben, woran die welt gesundet, sich niederschlägt in souveränem vortrage, zu kulturellen anlässen etwa, welchen ihre profession sie zuführt, aus ihrem eignen munde den menschen geschenkt. sie steigt hinab in die moddrige niederung profanen geistes, scheut sich nicht, am kleinen beispiele das große, das allumgebende zu erläutern, in ihrer überlegenen weise, so dass selbst wir unbedarften hier unten kosten dürfen von der süße ihres genius. (...)

geschrieben im und auf den stufen des mamorpalais zu potsdam, den 30. juni 2002

prof. em. dr. phil. carl van schnitter
gewesener ordinarius f. antike geschichte und mediterrane kultur a.d. universität zu tübingen,
kurator der klassischen scherbensammlung im völkerkundemuseum zu worms

 

 

(der autor distanziert sich vom inhalt dieses textes.)
 

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